Credit Suisse AT1-Anleihen: Bundesverwaltungsgericht hat entschieden

In einem aufsehenerregenden Entscheid hat das Bundesverwaltungsgericht am 1. Oktober 2025 die Verfügung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht, in welcher diese die damalige Credit Suisse Group AG angewiesen hat, AT1-Anleihen abzuschreiben, für rechtswidrig erklärt. Der Entscheid wurde an das Bundesgericht weitergezogen. Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, welche Konsequenzen dieser Entscheid für AT1-Anleihensgläubiger haben könnte.

FINMA-Verfügung vom 19. März 2023

Am 19. März 2023 wies die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht («FINMA») die Credit Suisse Group AG («CSG») an, sämtliche AT1-Instrumente im Wert von insgesamt nominal CHF 16.5 Milliarden abzuschreiben.

Die FINMA begründete ihre Anordnung damals und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen wie folgt:

  • Erstens seien die Voraussetzungen gemäss Anleihensbedingungen an einen sogenannten «Viability Event», der die Bank zur Abschreibung («Write down») der Anleihen ermächtige, eingetreten. Da die CSG die Abschreibung nicht selbständig vorgenommen habe, müsse die FINMA der Bank die Abschreibung befehlen.

  • Zweitens handle es sich bei der Anweisung an die CSG zur Abschreibung des AT1-Kapitals um eine Schutzmassnahme. Zum Ergreifen solcher Massnahmen sei die FINMA bei Insolvenzgefahr von Banken gestützt auf Art. 26 BankG berechtigt.

  • Drittens stütze sich die Verfügung auf die vom Bundesrat am 19. März 2023 ergänzte Notverordnung vom 16. März 2023, gemäss welcher die FINMA von der CSG die Abschreibung von zusätzlichem Kernkapital verlangen könne.

Die Verfügung der FINMA erging erst, nachdem sich die CSG geweigert hatte, die Abschreibung der AT1-Instrumente vorzunehmen: In einer E-Mail an die FINMA vom 19. März 2023 führte die Bank aus, dass kein «Viability Event» gemäss Anleihensbedingungen vorliege, der zur Abschreibung der Instrumente berechtigte, weil die vom Bund und der Nationalbank geleisteten Hilfsmassnahmen in Form von Darlehen und Garantien dazu dienen würden, das Vertrauen des Marktes in die Credit Suisse wiederherzustellen, einen Zusammenschluss mit der UBS zu ermöglichen und Liquidität zu schaffen. Eine Verbesserung der Kapitalausstattung der CSG sei mit diesen Massnahmen nicht beabsichtigt worden. Dies aber sei die Voraussetzung für einen «Viability Event», der die Abschreibung der AT1-Instrumente ermögliche. Nachdem die Bank der FINMA mitteilte, dass sie ohne ausdrückliche Anordnung keine Abschreibung vornehmen werde, erliess die FINMA die Verfügung, welche von der CSG am 20. März 2023 umgesetzt wurde.

Anfechtung der FINMA-Verfügung durch AT1-Gläubiger

Die Verfügung der FINMA wurde unter anderem von drei Anlegern, welche AT1-Kapitalinstrumente der CSG im Nominalwert von nominal USD 6.4 Millionen hielten, beim Bundesverwaltungsgericht angefochten. Das Antrag dieser Anleger lautete darauf, die Verfügung der FINMA aufzuheben und die CSG (direkt oder über die FINMA) anzuweisen, die von der FINMA angeordnete Abschreibung des entsprechenden AT1-Kapitalinstruments aufzuheben, um die Anleger «in die Lage zu versetzen, in der sie sich befänden, wenn die betreffende Abschreibung nicht vorgenommen worden wäre.»

Im Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht trat neben der FINMA auch die UBS Group AG («UBS») als Beschwerdegegnerin auf. Bei der UBS handelt es sich um die Rechtsnachfolgerin der Credit Suisse, nachdem diese in die UBS fusioniert wurde.

Teilentscheid des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem Teilentscheid nur mit der Frage der Gültigkeit der FINMA-Verfügung beschäftigt. Es hat sich insbesondere nicht damit befasst, ob die UBS direkt oder indirekt über die FINMA anzuweisen sei, die Abschreibung rückgängig zu machen. Insofern hat das Gericht lediglich einen Teilentscheid gefällt.

In diesem Teilentscheid hat das Gericht den beschwerdeführenden Anlegern auf ganzer Linie recht gegeben: Zusammengefasst führte das Gericht im 77-Seiten starken Urteil aus, dass kein «Viability Event» vorgelegen habe, eine bankengesetzliche Grundlage zur Anordnung der Abschreibung der AT1-Instrumente nicht bestanden habe und die Notverordnung des Bundesrats, in welcher die FINMA ermächtigt wurde, von der CSG die Abschreibung von zusätzlichem Kernkapital zu verlangen, verfassungswidrig gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht stufte die Verfügung der FINMA, womit die CSG zur Abschreibung der AT1-Instrumente aufgefordert wurde, somit als rechtswidrig ein.

Bedeutung des verwaltungsgerichtlichen Prozesses für die zivilrechtlichen Ansprüche der AT1-Gläubiger

Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts stiess auf ein grosses Medienecho. Die internationale Presse, etwa die Financial Times und das Wall Street Journal, berichteten genauso darüber wie nationale und lokale Medien. Die NZZ schrieb von einem «Hammer-Urteil», das Portal Finews von einem «Paukenschlag».

Gleichzeitig drang in der Berichterstattung eine gewisse Ratlosigkeit durch, was dieses Urteil für die AT1-Gläubiger bedeuten würde. In der Folge soll dieser Aspekt etwas genauer beleuchtet werden.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Teilentscheid des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, da er von der FINMA und der UBS mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten wurde. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht seinen Entscheid sorgfältig und nachvollziehbar begründet hat, ist völlig offen, wie das Bundesgericht entscheiden wird.

Wird der Teilentscheid vom Bundesgericht geschützt, wird sich das Bundesverwaltungsgericht – sofern es nicht zu einer aussergerichtlichen Einigung zwischen den Gläubigern und der UBS, allenfalls unter Mithilfe des Bundes, kommt – mit den noch nicht behandelten Rechtsbegehren befassen müssen, also mit der Frage, ob die UBS direkt oder via FINMA anzuweisen sei, die vollständige Abschreibung der AT1-Kapitalinstrumente «unverzüglich aufzuheben bzw. rückgängig zu machen.» Ob das Bundesverwaltungsgericht eine solche Anordnung, welche in die Rechtsgestaltung von privaten Rechtssubjekten eingreift, treffen kann, soll hier nicht beantwortet werden. Ziemlich sicher ist jedoch, dass der diesbezügliche Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts wiederum an das Bundesgericht gezogen werden und somit zu einer Verzögerung der Streitbeilegung führen könnte. Entsprechend ist es bedauerlich, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Frage nicht im Rahmen des vorliegenden Entscheids befasst hat.

Allerdings wird der Entscheid über diese bisher nicht behandelten Rechtsbegehren nicht von zentraler Bedeutung sein. Selbst wenn nämlich eine gerichtliche Anweisung der Rückgängigmachung der Abschreibung nicht erfolgen würde, bliebe es bei der Ungültigkeit der FINMA-Verfügung vom 19. März 2023, womit der Weg für die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche grundsätzlich frei wäre.

In einem künftigen Zivilprozess wird das gemäss AT1-Anleihensbedingungen zuständige Gericht (voraussichtlich das Zürcher Handelsgericht) zwar nicht an die Feststellungen der öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts betreffend «Viability Event» gebunden sein. Es könnte von der verwaltungsrichterlichen Erkenntnis, es liege kein solches Ereignis vor, somit abweichen und die Forderungen der AT1-Gläubiger gegen die UBS entsprechend abweisen. Dies erscheint aber mehr als theoretisches Szenario, da der Forderungsprozess letztinstanzlich von der zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts entschieden werden würde und sich diese nicht in Widerspruch zur öffentlich-rechtlichen Abteilung setzen dürfte. Alles andere wäre ein enormer Gesichtsverlust für das Schweizer Justizsystem.

Somit erscheint es plausibel, dass die AT1-Gläubiger von der UBS entschädigt werden müssen, wenn der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts von der öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts bestätigt wird, selbst wenn dieses Verfahren nicht die zivilrechtlichen Ansprüche der AT1-Gläubiger zum Gegenstand hat.

Umgekehrt dürfte eine Gutheissung der Beschwerden von UBS und FINMA durch das Bundesgericht die Hoffnungen der AT1-Gläubiger auf Entschädigung stark kompromittieren: In diesem Fall bliebe die FINMA-Verfügung bestehen und der Zivilrichter müsste diese wohl berücksichtigen, wenn die Verfügung als ein die zivilen Gerichte grundsätzlich bindeder Rechtsgestaltungsakt qualifiziert werden würde. Sollte dem nicht so sein, könnte sich die UBS auf den Standpunkt stellen, die Verfügung stelle ein behördliches Verbot dar, die AT1-Gläubiger zu befriedigen; entsprechend sei die Leistung objektiv unmöglich. Sollte die Unmöglichkeit verneint werden und leistet die UBS nicht, würde sie bei Verschulden gegenüber den AT1-Gläubigern schadenersatzpflichtig. Ein Verschulden wäre aber aufgrund der Anordnung der FINMA, die AT1-Instrumente abzuschreiben, wohl zu verneinen.

Wir bewegen uns hier zugegebenermassen im Bereich der Spekulation. Allerdings ist es nur schon unter praktischen Gesichtspunkten schwer denkbar, dass die UBS zur Befriedigung der AT1-Gläubiger verpflichtet werden wird, wenn eine Verfügung der FINMA, die dies verbietet, weiterhin Bestand hat.

Ausblick

Der Entscheid der öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts dürfte somit indirekt einen derart zentralen Einfluss auf die zivilrechtliche Rechtsstellung von UBS und AT1-Gläubigern haben, dass im Falle einer Abweisung der Beschwerden von FINMA und UBS die Suche nach einer aussergerichtlichen Einigung ins Zentrum der Überlegungen aller Beteiligten rücken könnte. Inwieweit der Bund hier involviert werden würde, hängt von den allfälligen Rechtsansprüchen der UBS gegen den Bund ab, welche hier nicht beurteilt werden können.

Scroll to top